Freiheit in Ketten
Ein, wie ich finde, interessantes Thema im Hinblick auf D/S.
Primär ist jeder Mensch frei, darüber brauchen wir nicht sprechen. Er
ist frei in seinen Entscheidungen und er kann aus mehreren Optionen
wählen. Das vorausgesetzt, hat er auch die Freiheit, die Entscheidung zu
treffen, sich diese Freiheit ganz oder teilweise nehmen zu lassen.
Lasse ich mich also freiwillig (!) in Ketten legen - symbolisch oder
real - dann ist das eine Entscheidung gewesen, die ich getroffen habe
und die ich entweder widerrufen kann, wenn das Bestandteil der Abmachung
ist, oder ich kann es dann nicht mehr. Bei letzterem müssen sich beide
darüber im Klaren sein, was das nach sich ziehen kann und die Gespräche
müssen im Vorfeld stattgefunden haben. Dann kann ich mich wissentlich
und in völliger Freiheit in die Hände eines anderen begeben.
Soweit der philosophische Teil im Hinblick auf BDSM mit besonderem Augenmerk auf D/S (ich merke gerade, der Kaffee wirkt).
Ketten sind dabei als Rahmen zu verstehen, die mir vorgegeben werden. In
diesem Rahmen kann ich mich geschützt bewegen, ich weiß, wo die Grenze
ist, die ich nicht überschreiten sollte. Das gibt mir ein Gefühl der
Sicherheit und hat mir keineswegs die Freiheit einer Entscheidung aus
der Hand genommen. Denn innerhalb des Rahmens kann ich weiterhin
Entscheidungen treffen.
Mal ein kleines Beispiel aus unserem D/S: Um 22 Uhr ist wochentags
Schicht im Schacht. Ausnahme: Mein Herr ist da, dann kann er diese Regel
auch einfach aufheben. Wenn ich um 20:30 Uhr merke, dass mir die Augen
zufallen, dann kann ich natürlich die Entscheidung treffen, früher ins
Bett zu gehen. Sollte ich allerdings vorhaben, länger als 22 Uhr
aufzubleiben, z.B. weil doch mal was Interessantes im Fernsehen kommt
(kam bis jetzt genau einmal vor), dann frage ich und akzeptiere seine Entscheidung.
Nur weil ich meinem Herrn weitreichende Befugnisse über mich gegeben
habe, heißt das nicht automatisch, dass ich mein Hirn an der Garderobe
abgegeben habe und nicht trotzdem mitdenke. Erstens erwartet er das von
mir (das Mitdenken) und zweitens gibt es auch noch ein Leben, dass sich
draußen abspielt, dass zwar nicht völlig losgelöst ist von unserer
Beziehung, aber in der ICH mich bewegen muss, z.B. als Mutter oder als
Arbeitnehmerin.
Um den Bogen wieder zum eigentlichen Thema zu schlagen: Die Ketten als
Rahmen, der von meinem Herrn definiert wurde und den er auch erweitern
oder einengen kann; die Freiheit, den Rahmen zu nutzen (nicht
auszunutzen!), in besonderen Situationen um eine Ausnahme zu bitten und
letztendlich zu wissen, dass mein Herr nie etwas tun würde, was mir
schadet. Und es ist auch die Freiheit, Dinge aussprechen zu können,
Wünsche zu äußern - ohne Garantie auf deren Umsetzung - und zu wissen,
dass man dafür nicht verurteilt wird.
Man kann meine Ausführungen natürlich auch auf einen Satz herunterbrechen:
Freiheit – Ketten, die man uns umlegt, selbst schmieden zu dürfen. (Harald Schmid, Aphoristiker)
Schön geschrieben. Danke für die Sichtweise.
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