Alles Augenhöhe oder was?

Immer wieder lese ist, dass die emanzipierte Sub von heute auf Augenhöhe im Alltag besteht. Da werden dann Schlagworte benutzt wie:

-  Ich will widersprechen können
- Als devoter Part habe ich nichts zu sagen
- Ich muss das tun, was mein Herr/Mann/Dom befiehlt
- Ich bin viel zu selbstbewußt um auf Augenhöhe zu verzichten
- Die devote „Rolle“ auch außerhalb des Schlafzimmers ist ein backlash
- usw. usf. etc. pp.

Ich glaube, dass diejenigen, die solche Klischees verwenden (denn nichts anderes ist es) eine völlig falsche Vorstellung von Augenhöhe haben bzw. dem Fehlen derselben in einer D/s-Beziehung.

Wir z.B. leben ein sehr ausgeprägtes D/s und haben keinerlei Augenhöhe. Weder zuhause noch in der Öffentlichkeit. Trotzdem habe ich bis jetzt in keiner Beziehung so oft widersprochen oder mein Veto eingelegt wie bei Mylord. Nicht, weil ich es mir herausnehme, sondern weil ich es darf und Mylord es ausdrücklich wünscht.

Außerdem schützt mich die fehlende Augenhöhe. Sie schützt mich davor, wie eine Gleichgestellte behandelt zu werden mit all den Nachteilen, die das nach sich zieht: Augenhöhe bedeutet auch, auf gleicher Ebene zu agieren und auch mal einen Verbalschlag abzubekommen. Auf jemanden auf gleicher Ebene muss man weniger Rücksicht nehmen, derjenige muss nicht geschützt werden.

Die fehlende Augenhöhe schützt uns auch vor Streit und Diskussion. Natürlich diskutieren wir z.B. über Politik oder das große C. Aber niemals würden wir über anstehende Entscheidungen diskutieren. Ansage - eventuelles Veto meinerseits, z.B. bei Dingen, die Mylord nicht auf dem Schirm hatte oder haben konnte - neuerliche Überlegung seinerseits - Entscheidung. Und die steht dann auch ohne Wenn und Aber. Nachträgliches Infrage stellen gibt es nicht, es wird weder nachgetreten noch nachgekartet. Das gibt unserer Beziehung sehr viel Stabilität und Verlässlichkeit.
 
Die nicht vorhandene Augenhöhe wird bei uns auch durch meinen Halsreif symbolisiert. Solange ich diesen trage, bin ich in meinem geschützten Bereich. Ich bin in unserem Innenverhältnis beschützt und nach außen ebenfalls. Natürlich muss ich weiterhin einige Entscheidungen selber treffen, trotzdem weiß ich, dass im Fall des Falles Mylord hinter mir steht, um mir den Rücken zu stärken und vor mir, um mich zu schützen. Das gibt mir Sicherheit in meinem täglichen Handeln.
 
In den Zeiten, wo ich den Halsreif nicht trage, fühle ich mich nackt und der (Um)welt ausgeliefert. Es fühlt sich an, als würde man mich in kaltes Wasser werfen und ich weiß, dass ich nicht schwimmen kann. Bis jetzt kam das vier Mal vor: einmal, als Mylord meinen Halsreif gereinigt hat und ich mich in meinen Stuhl gekuschelt habe, bis er ihn mir wieder umgelegt hat. Das zweite Mal beim Friseur: da war das Abnehmen abgesprochen und bis zum Ende lag der Halsreif sichtbar vor mir, bis ich ihn endlich wieder umlegen konnte. Das dritte Mal, als Mylord mich gefragt hat, ob er weiterhin mein Herr ist (siehe Legitimation der Macht) und das vierte Mal, als ich meinen neuen Halsreif von Mylord bekommen habe: es waren jeweils nur wenige Sekunden, doch in denen fühlte ich mich sehr verletzlich und verwundbar.

Was also ist Augenhöhe? Braucht man sie? Ist sie unerlässlich?

Augenhöhe wird u.a. definiert als gleichrangig, sich in gleicher Verhandlungsposition befindend. Außerhalb einer TPE-Beziehung sicher durchaus notwendig, z.B. im Arbeitsleben. Innerhalb einer D/s- bzw. TPE-Beziehung aus meiner Sicht sinnlos und obsolet. Fehlende Augenhöhe nimmt der Serva nichts, ganz im Gegenteil: Sie gibt ihr etwas. Im Idealfall das, was die Serva glücklich macht und ihr das Gefühl gibt, für ihren Herrn etwas so Besonderes zu sein, dass sie beschützt wird. Klingt altruistisch? Ist es vielleicht auch. Trotzdem gibt es einige Servas, die genau mit diesem Schutz die glücklichsten Menschen sind. Im Leben draußen tun die sich nämlich manchmal sehr schwer, gegen sich und ihre Natur zu handeln, handeln zu müssen. Augenhöhe macht nicht alle zufrieden, weder bei den Devoten noch bei den Dominanten.

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