Interview mit (m)einem Herrn Wabisukisha

Das nachfolgende Interview wurde am 05.03.21 geführt.
 
Teilnehmer: Wabisukisha und Jiyu (Rainha)
 
Danke Mylord, dass ich Euch zu verschiedenen Themen interviewen durfte. 💙

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Rainha: Danke, dass Ihr bereit seid, das Interview mit mir zu führen.

Wabisukisha: Ich danke dir. Es ist wunderbar, ich freue mich darauf.

Rainha: Bitte stellt Euch als erstes kurz vor.

Wabisukisha: Was soll ich sagen? 49 Jahre alt, graue Haare, bisschen schräg und durchgeknallt. Körperlich eher rund als schräg, aber geistig schräg und durchgeknallt.

Rainha: Wir in unserer Beziehung leben schon ein gewisses TPE. Wie würdet Ihr das denn am ehesten beschreiben?

Wabisukisha: Schwierig. Bis vor kurzem hätte ich noch gesagt, wir sind auf dem Weg zu einem TPE und leben es auch teilweise schon. Mittlerweile würde ich das nicht mehr sagen, weil ich den begriff TPE  zu abgenutzt finde. Es wird halt mittlerweile von zu vielen gebraucht. TPE bedeutet die Abgabe von allen Rechten und Möglichkeiten an einen anderen. Die Rechte und Möglichkeiten hast du mir alle übertragen, dennoch habe ich gewisse Sachen zurückdelegiert, die ich jederzeit wieder zurückholen könnte Ich möchte es aber auch nicht als TPE bezeichnen, weil, wie du ja schon gesagt hast, der Begriff zu albgenudelt ist mittlerweile. Ich würde es eher als eine sehr tiefe, innige D/s-Beziehung, wie du es beschreiben hast, bezeichnen. TPE an sich ist ja auch ein konstanter Weg und den beschreiten wir ja auch. Für Außenstehende ist es TPE, ich selber möchte diesen Begriff nicht mehr bzw. weniger verwenden, um ihn nicht einer Beliebigkeit preiszugeben. Für Außenstehende ist es am einfachsten, es als TPE zu umschrieben, aber es gehört viel mehr dazu. Ich habe ja auch in den Jahren viel gelernt und diese Bezeichnung einer sehr, sehr tiefen, innigen D/s-Beziehung finde ich sogar noch viel schöner und passender.

Rainha: Ihr beschreibt den Begriff TPE als ausgelutscht aber für Außenstehende ist es vielleicht gut, wenn sie eine Definition haben. Für uns passt diese Bezeichnung einfach nicht, daher würde ich es jetzt auch als tiefe D/s-Beziehung bezeichnen. Ihr seid ja schon ein paar Jahre dabei. Waren so tiefe D/s-Beziehungen schon immer das Ziel oder war das eher ein Gucken, was auf einen zukommt?

Wabisukisha: Jein. Beides. In meinen Anfängen war eigentlich TPE nichts, was mich angesprochen hätte, weil ich noch immer falsche Vorstellungen davon hatte, so nach dem Motto, sie darf garnichts, sie muss immer um alles fragen, ich muss alles für sie entscheiden, sie darf noch nicht mal mehr allein in den Supermarkt gehen und etwas kaufen, was ich nicht vorab ihr gesagt habe, dass sie es kauft. Ich will ja schließlich, dass sie selbständig bliebt, und so ergeben sich im Laufe der Zeit dann auch Wandel.
Es hat sich relativ schnell bei mir auch einiges gewandelt gehabt, z.B hätte ich in meiner Anfangszeit mir auch nie denken können, dass ich nicht geduzt werde. Das hat sich aber auch relativ schnell gewandelt und so kam dann auch der Wandel beim TPE. Es ist etwas, was ich in jeder Beziehung, die ich hatte, als schön empfunden habe. Ich muss dazu sagen, im BDSM-Bereich waren es erst vier Beziehungen. Innerhalb von knapp 27 Jahren ist das schon nicht allzuviel für diese Szene, auch schon damals gewesen. Ich habe relativ schnell erkannt, dass diese Art und Weise mir auch eher liegt, weil ich immer auch gern Verantwortung übernommen haben und dann auch selber für mich gewisse Sachen adaptiere und umsetze, so dass ich es persönlich auch delegieren kann.
 
TPE bedeutet ja nicht, dass sie nichts selber tun darf. Ich kann ihr z.B. auch sagen, dass sie das selber entscheiden soll, es ist halt mein Recht und das delegiere ich auch zurück und sage in gewissen Bereichen, dass sie halt dafür zuständig ist, da braucht sie nicht zu fragen und dann ist es so.
 
Wenn es nicht zum TPE kommt, ist es nichts Schlimmes. Aber wenn man D/s lebt, denke ich, dass irgendwo in dieser Richtung, wenn man es lebt und innendrin fühlt, doch bei den meisten irgendwann der Punkt kommt, in dem es sich von allein wandelt. Ich habe es nie bewußt angestrebt eine Beziehung mit TPE zu führen. Es hat sich einfach aus der Beziehung heraus immer ergeben. Es ist ein Fluß, in dem man nicht befindet und der einen dann sozusagen mitreißt. Als wir uns kennengelernt haben habe ich auch keine TPE-Beziehung angestrebt. Es hat sich einfach ergeben.

Rainha: Nochmal zu dieser Tiefe einer Beziehung oder Tiefe der D/s-Beziehung. Ihr sagtet ja, dass Ihr auch Sachen zurückdelegiert an mich und das wirkt sich auch an den Alltag an sich aus. Viele sagen, BDSM geht nur im Schlafzimmer oder muss an der Schlafzimmertür enden, weil man ja schließlich im Alltag auf Augenhöhe sein muss. Trotzdem funktioniert es bei uns, auch wenn wir im Alltag nicht auf Augenhöhe sind. Wie würdet ihr sagen, wirkt sich diese Tiefe einer D/s-Beziehung auf diesen Alltag aus?

Wabisukisha: Ich denk mal, dass es auch tiefe Beziehungen gibt, sehr tiefe Beziehungen, ohne D/s. Nichtsdestotrotz ist es eine andere Ebene. Es ist eine Ebene, die ich einfach mal so vergleichen möchte mit einem Paar, das kein D/s lebt, das kein BDM lebt, aber das aber so seit 60 Jahren verheiratet ist. Die haben dann auch dieses innige Band, das einen miteinander verbindet,. Man kann kann vielleicht sagen, dieses D/s in der Beziehung schafft ein sehr tiefes und inniges Band, das einen verbindet und einen einfach zusammenschweißt. Nun kann man sagen, das ist in anderen Beziehungen genauso, aber ich habe es in der einen Beziehung ohne BDSM nicht so erlebt. Ich habe auch bei Bekannten, die kein BDSM haben, je erlebt, dass diese Tiefe erreicht wurde. Sie lieben ihre Partner ohne Ende, sie haben alle eine extrem tiefe Beziehung, aber dennoch wenn da irgendwo ein Streit herrscht oder Meinungsverschiedenheiten sind, ist dann doch ein ganz anderer Umgang miteinander als z.B. wir beide miteinander haben. Ich kann mich nicht entsinnen, dass wir jemals einen Streit gehabt hätten. Wir haben Kontroversen gehabt. Die haben wir aber auch in einem vernünftigen Ton, wie ich ihn in anderen Beziehungen nie so erlebt habe, also auch in anderen Beziehungen bei Bekannten, und respektvoll miteinander gelöst.
 
Für mich ist ja immer noch das beste Beispiel, wie man in den Wald hineinruft, so schallt es hinaus, und dadurch ist halt der Umgang miteinander deutlich anders, wenn es um, ich nenn es mal Streit oder um Meinungsverschiedenheiten geht. Im Guten ist der Umgang immer bei allen toll, aber in schlechten Zeiten wie z.B. bei Streit, unterscheidet er sich doch, weil man miteinander anders redet, anders kommuniziert und auch, zumindest bei mir ist es so, ich mir meiner Verantwortung doch auch mehr bewußt bin. Das heißt, es ist nicht einfach nur ein Überstülpen - das könnte ich jederzeit machen, ist aber nicht meiner Art und Weise. Das gilt auch für die meisten Menschen, die ich kennengelernt habe und die so eine Art von D/s-Beziehung leben.
 
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Hier wurde das Interview aufgrund äußerer Umstände unterbrochen. Die weiteren Fragen hat mein Herr per Mail beantwortet:

Rainha: Wie wirkt es sich generell auf den Alltag aus?
 
Wabisukisha: Ich denke mal, damit ist das D/S gemeint.
Es wirkt sich insofern auf den Alltag aus, dass es feste Aufgabengebiete gibt. Jeder weiß, was seine "Pflichten" und seine Aufgaben sind. Es gibt kein Kompetenzgerangel. 
Auch unterschiedliche Ansichten werden anders vorgetragen. Der Tonfall bei Meinungsverschiedenheiten ist immer ein sehr respektvoller.
Nach meiner Erfahrung werden Dinge nicht ausgefochten, sondern es wird sich mit diesen auseinandergesetzt. Gemeinsam. Das letztendlich ich die Entscheidungen treffe und das letzte Wort habe, bedeutet ja nicht, dass diese Entscheidungen immer nur zu meinen Gunsten ausfallen würden. Im Gegenteil.
Und auch wenn ich behaupte, dass mich meine Serva niemals um den Finger wickeln könnte, so denke ich, hat sie aus ihrer eigenen Erfahrung eine andere Meinung dazu *mylord lacht*

Rainha: Wie geht man mit den Tabus der Serva um?
 
Wabisukisha: Mhm... also ich denke, das es unterschiedlich ist. Es gibt ja auch Beziehungen, da sind Tabus unumstößlich. Sie werden gleich zu Beginn genannt und dann hat sich der Herr daran zu halten.
Ich betrachte es allerdings differenzierter. In der Art der Beziehung die ich führe, werden Tabus vom dominanten Part festgelegt. Jetzt schwebt bestimmt vielen das Bild einer absolut tabulosen sklavin vor, die alles mitmachen muss was der Herr sagt.
Das würde aber zu kurz greifen. Es geht um etwas ganz anderes. Darum, dass man sich mehr mit seinem Gegenüber auseinandersetzt.
Ich habe am Anfang mit meiner serva über Tabus gesprochen. Sehr intensiv. Mir war es wichtig zu erfahren, weshalb manche Dinge ein Tabu sein sollten. Ganz einfach aus dem Hintergrund, weil ich nicht auf Minenfeld treten wollte. 
Ein Beispiel dazu: Bei vielen ist ja Analverkehr oder alles was damit zu tun hat ein Tabu.Nun kann es aber dafür mehrere Gründe geben. Bei der einen ist es die Angst davor, bei der anderen negative Erfahrungen und bei der dritten rührt das Tabu vielleicht aus einer Vergewaltigung.
Bei jedem Grund muss ich anschließend anders agieren. Bei der ersten sehe ich es als meine Aufgabe an, ihr die Angst behutsam zu nehmen. Bei der zweiten, langsam die negativen Erfahrungen durch positive zu ersetzen. In beiden Fällen würde ich es nicht als Tabu akzeptieren. 
Anders verhält es sich im dritten Fall. Da wäre es auch für mich ein Tabu. Aber ich würde noch weiterschauen. Was verbindet sie sonst noch mit dieser Vergewaltigung? Sind es nur Berührungen in dem Bereich oder würde es schon reichen, mich hinterzustellen um damit einen Flashback auszulösen? Denn das möchte ich auf keinen Fall. Also muss ich die Hintergründe eines Tabus kennen um a) die Möglichkeit zu haben, dass es gar nicht zu einem Flashback kommt und b) auch weiß, warum sie in gewissen Situationen anders reagiert. Wenn ich das weiß, kann ich ganz anders agieren und auch anders auf sie schauen und sie schützen.

Rainha: Wie geht man mit den eigenen Tabus um bzw. wenn die Serva Wünsche hat, die auf der eigenen Tabuliste stehen?
 
Wabisukisha: Unterschiedlich. Es hängt von den Wünschen ab. Wenn es Dinge betreffen würde, die meiner Einstellung grundsätzlich widersprechen würde es weiterhin als ein Tabu gelten und sie müsste in dem Bereich dann auf ihre Wünsche verzichten. Ein Beispiel dazu wäre zum Beispiel KV.
Wenn es andere Bereiche betrifft, dann bin ich auch bereit über meinen Schatten zu springen. Zum Beispiel sind Nadeln für mich ein Tabu gewesen. Nichtsdestotrotz habe ich aber. weil ich wusste wie sehr sich meine damalige sklavin das gewünscht  hat, einen Workshop dazu besucht um sie auch damit verwöhnen zu können. Für sie war es sehr erfüllend, für mich eine große Überwindung. Aber wie heißt es so schön: Geben und nehmen. Und dazu gehört auch, dass ich ebenfalls gebe und, wenn möglich, auch meine Tabus überdenke und neu definiere. 

Rainha: Wie spürt man, dass man dominant ist? Gibt es aha-Erlebnisse?
 
Wabisukisha: Schwierig. Ich weiß gar nicht, ob man es spürt. Ich selber habe es nie gespürt. Es wäre so, als wenn man fragen würde, wie man spürt, ob man introvertiert oder extrovertiert ist. Es ist einfach da. Und die Eigenwahrnehmung ist ja auch oftmals eine andere. Entscheidend ist ja nicht, dass man sich selbst dominant fühlt, sondern wie andere es empfinden. 
Da wurde mir schon öfters mal gesagt, dass ich schon sehr dominant auftrete durch meine Art. Ich gehe voran, übernehme Verantwortung und bin auch bereit Entscheidungen zu treffen. Manche sehen mich auch einfach nur als arrogant an. Andere sehen mich als eher diplomatisch an. Ich denke, das hängt ganz viel mit den Umständen zusammen, unter denen man sich trifft und wie das Empfinden beim anderen auf die jeweilige Person ist. 

Rainha: Kann man lernen, dominant zu sein?
 
Wabisukisha: Puh, jetzt wird es noch schwieriger. Ich schwanke zwischen Nein und Jain.
Nein, weil es das innere Wesen ist. Weil es ein Charakterzug ist, der einem mit in die Wiege gelegt wurde.
Andererseits kann man ja auch Teile seines Charakters ändern. Nicht den ganzen, aber Teile davon. 
Das würde aber bedeuten, dass man sich selbst anders konditionieren müsste, was sehr viel Stärke bedeutet.
Ich selbst war immer ein Chaot im Haushalt. Vor ....mhmm.... 10... 15 Jahren war ich damit überhaupt nicht mehr zufrieden. Ich habe mich selbst zur Ordnung erzogen.
Mittlerweile macht mir putzen sogar teilweise Freude. Gebügelt und gesaugt habe ich schon immer gerne. Aber der Rest... oh mein Gott... 
Und heute, wenn ich dann drin bin, macht es mir sogar ab und zu sogar Spaß, wenn ich das Bad oder die Küche putze. Das liegt an dem sichtbaren Ergebnis. Aber ein Chaot im Haushalt werde ich trotzdem innerlich immer bleiben.
Ich denke, so ist es auch mit der Dominanz. Bis zu einem gewissen Grad kann man sie lernen. Aber es wird nie dasselbe sein und benötigt immer wieder Disziplin, dass dann auch zu bleiben. Weil es nicht der innerliche Wesenszug ist.
Aber ich kann lernen, es für einen gewissen Zeitraum zu spielen. Und das kann ja für ein Paar, das es nicht leben möchte aber trotzdem daran Interesse hat, auch sehr erfüllend sein.

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