Sichtbares und unsichtbares Machtgefälle

Vor einiger Zeit habe ich einen Beitrag einer Sub zum Thema Machtgefälle in der Beziehung gelesen. Sie schrieb sinngemäß, dass ein Machtgefälle für sie sichtbar sein muss, damit sie in ihrer Beziehung glücklich sein kann. Das hat mich zum Nachdenken gebracht.

Was bedeutet Machtgefälle für mich? Brauche ich vielleicht auch ein sichtbares Machtgefälle, um Mylord als meinen Herrn zu „akzeptieren“? Oder reichen mir die unsichtbaren „Kleinigkeiten“, um mich als Sub zu fühlen? Was ist überhaupt sichtbar, unsichtbar, fühlbar in diesem Zusammenhang?

Unser Machtgefälle fußt u.a. auf einem Metakonsens. Ich habe Mylord die Macht übertragen und er nutzt sie - oder auch nicht. Das ist allein seine Entscheidung. Dieser Metakonsens ist unsichtbar, er zieht erstmal kein ein sichtbares Machtgefälle nach sich.

Sichtbar wird unser Machtgefälle, wenn ich auf seine Erlaubnis warte, mich zu setzen, mit dem Essen zu beginnen, auf die Toilette zu gehen usw. Sie sind sichtbar für uns - nicht für die Umwelt. Denn die achtet weder auf meinen fragenden Blick noch auf seine entsprechende Handbewegung. Und wer denkt schon bei einem „Guten Appetit“ von Mylord an mich daran, dass ich darauf gewartet habe, um mit dem Essen zu beginnen? Für andere ist es somit unsichtbar.

Sichtbar wird unser Machtgefälle auch, wenn ich mir abends die Fußmanschette anlege und die Kette daran befestige. Ist Mylord da, macht er das und es folgt ein maintenance spanking. Aber auch das ist für andere unsichtbar.

Dann vielleicht die Anrede? Ich duze Mylord auch nicht in der Öffentlichkeit, was ein Ausdruck unseres Machtgefälles ist. Am Anfang war ich ein wenig unsicher, denn ich dachte, dass das bestimmt auffällt, wenn man draußen unterwegs ist. Allerdings habe ich festgestellt, dass die wenigsten Menschen darauf achten, und da es für uns beide normal ist, fällt es auch nicht auf. Also auch hier: sichtbar für uns, unsichtbar für andere.

Was ist dann aber für uns unsichtbar? Ich erinnere mich an eine Situation vom letzten Wochenende. Ich habe beim Spaziergehen irgendwas gesagt und habe gesehen, wie Mylord die Hand hebt. Im ersten Moment bin ich zusammengezuckt… ich weiß nicht, was ich erwartet habe. Als er mir dann nur ganz locker die Hand in den Nacken gelegt und gegrinst hat, beruhigte sich mein Puls auch wieder. War das etwas Unsichtbares? Das Zusammenzucken, weil ich genau wußte, dass ich gerade den einen Schritt zu weit gegangen war? Aber die Hand danach im Nacken war doch auch wieder sichtbar.

Es ist wirklich nicht einfach. So richtig unsichtbar gibt es bei uns nicht, denn ich fühle es ja immer. 24/7 sozusagen. Egal, ob Mylord bei mir ist oder unterwegs, es reicht eine Handbewegung oder ein Wort, um es sichtbar zu machen.

Dann liegt der Knackpunkt vielleicht im Fühlen? Nicht über die fünf Sinne, sondern im Inneren? Ein intuitives Spüren? Und wenn es so ist, dann ist es doch eigentlich nicht wichtig, ob das Machtgefälle sichtbar oder unsichtbar ist. Es reicht, wenn es fühlbar ist für den Herrn und die Sub.

Reicht das wirklich?

Ich persönlich glaube nicht. Das Eine wird auf Dauer nicht ohne das Andere funktionieren. All die kleinen Alltäglichkeiten helfen mir, mich immer wieder daran zu erinnern, wem ich gehöre und wer die Macht bei uns hat. Das abendliche Anlegen der Kette, das tägliche Tragen meines Halsreifes, das morgendliche Foto, das tracking, wenn ich das Haus verlasse - das alles ist unser sichtbares und ständiges Machtgefälle, das mich in meinem Gefühl unterstützt, dass ich seine Serva bin.

Meine erste Reaktion auf den Beitrag zu Beginn dieses blogs war, dass ich kein sichtbares Machtgefälle brauche um glücklich zu sein. Nachdem ich darüber nachgedacht und meine Gedanken dazu aufgeschrieben habe, muss ich meine Meinung revidieren: Auch ich brauche ein sichtbares Machtgefälle, um mich an meinen Platz zu erinnern. Die Intensität der Sichtbarkeit schwankt dabei, aber nur auf der emotionalen Ebene wäre es mir zu wenig. Denn das würde bedeuten, dass ich auf vieles verzichten müsste, was meine Devotion unterstützt und mich davon abhält, unser Machtgefälle in Frage zu stellen.

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